10.02.2021, Schlitzer Bote: Interview mit Parteivorsitzendem der FDP Schlitzerland Daniel Braun

Interview mit Parteivorsitzendem der FDP Schlitzerland Daniel Braun

 

Das Interview führte Bernd Götte

BG: Herr Braun, welche Menschen im Schlitzerland sollten der FDP ihre Stimme geben?
DB: Eine bemerkenswerte Frage gleich zu Beginn! In einer Demokratie suchen sich nicht die Parteien und ihre Kandidat*innen ihre Wähler*innen aus, sondern die Wähler*innen ihre Parteien und Kandidat*innen. Das gelingt gerade bei Kommunalwahlen mit kumulieren und panaschieren ja auch sehr zielgenau. Wir denken in unserer Partei und unserer Fraktion Kommunalpolitik immer von der Sache her. Heißt: Bringt dieser oder jener Vorschlag das Schlitzerland insgesamt voran? Dann findet er unsere Zustimmung. Dabei ist uns wichtig, Kreativität und persönlichen Einsatz der Bürgerinnen zu fördern und in allem zunächst einmal mutig die Chancen zu suchen, ohne natürlich die Risiken aus dem Blick zu verlieren. Wer so denkt, wird viel Freude an seiner für die FDP Schlitzerland und unsere Arbeit abgegebenen Stimme haben.
BG: Und auf welche Stimmen würden Sie lieber verzichten?
DB: Keine. Eine Person oder eine Partei, der ich meine Stimme gebe, hat entweder in der Vergangenheit etwas richtig gemacht, oder ich traue ihr zu, in der Zukunft in meinem Sinne etwas richtig zu machen. So sieht für mich ein verantwortungsvoller Umgang mit meinem Wahlrecht aus. Insofern sind wir offen für jede Stimme. Im Umkehrschluss aus meiner Antwort auf Ihre erste Frage steht allerdings zu erwarten, dass Menschen, denen an Abschottung und Stillstand gelegen ist, sich nach der Wahl ziemlich ärgern dürften, wenn sie uns ihre Stimme gegeben haben.
BG: Sie sind Spitzenkandidat der FDP für die Stadtverordnetenwahl. Warum?
DB: Als Vorsitzender der FDP Schlitzerland fiel die Aufgabe, eine Liste für die Kommunalwahl am 14.03.2021 zusammenzustellen, zunächst mal mir zu. Dabei war die Frage nach der Spitzenkandidatur für mich lange offen. Für die meisten anderen in der Partei war sie das nicht. Manche fanden es einfach nur konsequent, dass dem derzeitigen Ortsverbands- und Fraktionsvorsitzenden selbstverständlich auch der Listenplatz 1 zustehen müsse, viele schätzen wohl aber auch meine auf Sachlichkeit und Ausgleich bedachte Art. Am Ende hat mir die Entscheidung leicht gemacht, dass meine Fraktion und die Vorstandskollegen mir sagten: „Wir haben in den vergangenen Jahren als Team gearbeitet und wir treten auch als Team zur Wahl an.“ Insofern fremdeln wir alle etwas mit dem Konzept der Spitzenkandidatur. Aber irgendeinen Namen muss das Kind ja haben, wie man so schön sagt.
BG: Die FDP-Liste für die Stadtverordnetenversammlung ist die kürzeste. Warum ist es für die FDP schwieriger, Kandidierende zu gewinnen?
DB: Unsere Liste ist im Vergleich zur letzten Kommunalwahl um eine Person gewachsen. Ein Drittel der Kandidat*innen ist zum ersten Mal dabei. Das sind für mich kleine Erfolge. Wir waren mit unserer Listenaufstellung letztes Jahr schon sehr früh dran, weil wir nicht wussten, wie die Bestimmungen später im Jahr aussehen würden. Es hätte sicher noch drei, vier Personen gegeben, die sich bei mehr Bedenkzeit schließlich für eine Kandidatur entschieden hätten. Aber Sie haben recht: Es könnten gerne noch mehr sein. Wir arbeiten dran.
BG: Unter Liberalismus versteht man eigentlich eine Haltung, den Menschen Freiraum zu lassen und Vertrauen zu schenken. Ihre Fraktion zeigte bisweilen in ihren Anfragen dirigistische Tendenzen. Sehen Sie da keinen Widerspruch ?
DB: Den Widerspruch sehe ich da eher in Ihrer Fragestellung. Mit Anfragen kann man nur sehr schwer dirigistisch werden oder reglementieren. Sie dienen der Überprüfung des Handelns von Magistrat und Verwaltung, sowie der Schaffung von mehr Transparenz. Neue Spielregeln schafft man nur über Anträge. Wir haben, das hat Willy Kreuzer in seiner Antwort auf einen offenen Brief von Sebastian Wendt erst kürzlich wieder zugestehen müssen, gelegentlich ein Problem mit dem Informationsfluss zwischen den Entscheidungsträgern in Magistrat, Stadtverordnetenversammlung und Verwaltung auf der einen Seite und einem Teil der Bevölkerung auf der anderen Seite. Das ist eine Sorge, die uns in der Fraktion schon lange umtreibt. Unsere Vielzahl von Anfragen war ein Mittel unter vielen, um hier für Verbesserungen zu sorgen. Dass wir in den letzten anderthalb Jahren sehr viel weniger nachfragen mussten, ist übrigens sowohl sichtbares Zeichen dessen, dass wir mit unseren Bemühungen nicht so ganz fruchtlos waren, als auch der Tatsache geschuldet, dass mit Alexander Altstadt und Willy Kreuzer ein anderer Führungsstil ins Rathaus eingezogen ist. Das macht vieles leichter.
BG: Welche Themen werden nach Ihrer Einschätzung in den nächsten fünf Jahren kommunalpolitisch wichtig werden?
DB: Viele Dinge, die wir in den letzten Jahren mit angestoßen haben, sind kürzlich in starke Bewegung gekommen. Verbesserung der Infrastruktur mit Straßensanierungen und Breitbandausbau, Verbesserung der KiTa- und sonstiger kommunaler Bildungsangebote, Stärkung der Tourismus, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen im sogenannten ländlichen Raum, um nur ein paar Themen zu nennen. Einige dieser Arbeitsfelder werden gerade durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie extrem verschärft. Aber in jeder Krise liegen immer auch Chancen. Wenn mehr und mehr Menschen im Home-Office arbeiten können und wollen, dann macht es keinen so großen Unterschied mehr, ob sie in Frankfurt oder in Sandlofs, in Hanau oder in Nieder-Stoll, in Kassel oder in Rimbach wohnen. Das gilt allerdings nur, wenn wir ihnen hier auch wirklich die nötige Infrastruktur bieten können. Das ist die Chance und das ist die Herausforderung. Zusätzlich werden wir in der nächsten Legislaturperiode weiter an unseren Großbaustellen Freibad und Brauereigelände arbeiten müssen.

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BG: Welche Perspektiven sehen Sie für das Brauereigelände?
DB: Da sind wir schon wieder beim Thema „Herausforderungen und Chancen“. Bei mir persönlich und in der gesamten FDP-Fraktion war die Freude groß, als Jürgen Laurinat im Bürgermeisterwahlkampf 2018 das Brauereigelände zu einem seiner Hauptthemen erkoren hat. Regelrecht euphorisch wurden wir, als dann auch noch eine Gruppe von Investoren aus dem Schlitzerland ein Konzept für das Gelände vorlegte. Allerdings wurde relativ schnell klar, dass sich neben Kolleg*innen aus allen Fraktionen, denen es wie den Investoren und uns nicht schnell genug gehen konnte, auch viele Kolleg*innen und Magistratsmitglieder fanden, denen im Gegenteil alles viel zu schnell ging. Darüber hinaus wurden ganz merkwürdige Gegensätze zwischen dem aufgemacht, was die Investoren geplant hatten, und dem, was Bürgerinnen und Bürger im Sommer desselben Jahres im Rahmen der IKEK-Teilraumveranstaltungen und -Konzeptentwicklungen erarbeitet hatten. Mit etwas mehr gutem Willen und gegenseitigem Vertrauen auf allen Seiten, hätte das die nahezu perfekte Lösung für ein Jahrzehnte altes Problem werden können. Jetzt soll es also das Altstadtsanierungsprogramm ISEK richten. Und ich persönlich finde die dort geplanten Ansätze insgesamt durchaus vielversprechend. Sonst hätte ich auch nach reiflichem Abwägen nicht meine Hand dafür gehoben. In Bezug auf das Brauereigelände fehlt mir allerdings das Herzstück, das was der Oldtimer-Schauraum von Sebastian Wendt und die Werkstatt von Milan Obenhack beim „Kesselwerk“-Konzept gewesen waren. Aber wenn es uns an Herz fehlt, dann ist es unsere Aufgabe als Bürgerinnen und Bürger, ein solches Herz zu finden. Die Planungen sind nicht in Stein gemeißelt. Wenn zum Beispiel die Kesselwerker morgen sagen würden, sie wollen in das Projekt einsteigen, würde ich alles in meiner Macht stehende tun, ihnen den nötigen Platz auf dem Brauereigelände einzuräumen und die restlichen Planungen so beizubehalten, wie sie derzeit im ISEK-Prozess angelegt sind. Dann hätten wir die eben angesprochene perfekte Lösung. Weitere Jahrzehnte des Stillstands kommen für mich nicht in Frage.
BG: Bundesweit verortet man die FDP nahe bei der CDU. In Schlitz eher nicht. Warum?
DB: Ich habe erst letzte Woche einen Online-Artikel gelesen, in dem sich unser Bundes-Generalsekretär Volker Wissing freut, die FDP habe sich aus der Umklammerung der CDU gelöst. Da spielt vermutlich auch eine Rolle, dass er in Rheinland-Pfalz Mitglied einer Ampelregierung ist. Für die Kommunalpolitik und anderswo halte ich solche Betrachtungen für wenig zielführend. Die Parteizugehörigkeit ist natürlich nur selten zufällig und ergibt sich für die allermeisten hier aus einer allgemeinen politischen und geistigen Haltung. So ist es bei mir auch. Für das Abstimmungsverhalten auf kommunaler Ebene spielt das nur gelegentlich eine Rolle. Das zeigt sich auch in der Tatsache, dass es nur ganz selten zu Kampfabstimmungen in der Schlitzer Stadtverordnetenversammlung kommt. Noch seltener im Magistrat. Seit zwei Jahren haben wir es sogar geschafft, unsere Haushalte über alle Fraktionsgrenzen hinweg gemeinsam zu verabschieden. Dass das vorher nicht so geklappt hat, lag selten an unüberbrückbaren, inhaltlichen Differenzen und sehr oft einfach nur daran, dass Gespräche grundsätzlich nicht stattfanden. Aber so versöhnlich das auch klingt, musste und muss sich da natürlich auch so manche*r erst noch dran gewöhnen. Das ist ein Prozess.
BG: Der Wahlkampf wird dieses Mal anders sein als sonst. Wie möchten sie Ihre Wählerinnen und Wähler diesmal erreichen?
DB: So wie das Leben vieler Bürgerinnen und Bürger in den letzten Monaten digitaler geworden ist, wird auch unser Wahlkampf digitaler werden. Social Media und die damit verbundenen Möglichkeiten sind hier natürlich ein großes Thema. Sie müssen das spontane Gespräch am Wahlstand und in den Kneipen und DGHs ersetzen. Aber wir werden auch erprobte Mittel wie Plakate, Flyer und Zeitungsartikel einsetzen. Man darf nicht vergessen, dass ein nicht zu unterschätzender Teil der Bevölkerung keinen Zugang zu den sozialen Medien hat oder will.
BG: Der Bundestrend für die FDP ist derzeit mäßig. Rechnen Sie mit Auswirkungen für die Partei vor Ort?
DB: Es wäre töricht zu glauben, dass Rückenwind aus dem Bund oder von der Landesebene überhaupt keine Rolle spielt. Aber die Kommunalwahl ist – zumindest was die Gemeinde-Ebene betrifft – sehr stark auch eine Personenwahl. Und gerade in einer bevölkerungsmäßig überschaubaren Gemeinde wie dem Schlitzerland wissen die Wählerinnen und Wähler ganz genau, wem sie ihre Stimme geben wollen. Da allgemein davon ausgegangen wird, dass viele Menschen im März nicht im Wahllokal sondern per Briefwahl ihre Stimme abgeben werden, dürfte sich der Effekt noch verstärken, da man am heimischen Esstisch genug Zeit und Muße hat, sich genau das Parlament zusammen zu wählen, das man sich wünscht. Im Übrigen klettern die Werte der FDP auf Bundesebene gerade wieder etwas. Aber auch das schützt uns nicht davor, dass wir hier vor Ort unsere Arbeit tun müssen.